Wo ist Basti?

Manch eine*r vertreibt sich eventuell die „geschenkte Familienzeit“ im 3. Lockdown mit dem Wimmelbuch „Wo ist Walter?“ Es gilt, in gezeichneten Menschenmassen, die wir nur noch aus Bilderbüchern kennen, Walter zu finden. Manchmal ist er fast so gut versteckt wie eine Nadel im Heuhaufen. Walter könnte Österreicher sein, trägt er doch immer den gleichen rot-weiß-roten Pullover mit dazu passender Mütze. Vor ein paar Monaten hätte man dieses Spiel mit unserem Basti spielen können, als er in der Menschenmenge im Kleinwalsertal verschwand. Er machte es uns Mitspielern nicht leicht, da er keinen rot-weiß-roten Pullover trug. Inzwischen hat er zumindest eine rot-weiß-rote Maske und trotzdem war er in den letzten Tagen relativ selten auf der Bildfläche zu sehen. Und wenn der Basti quasi von der BILDFLÄCHE verschwindet, dann heißt das was, denn gesehen und gehört wird er gerne. Spielen wir also eine Runde: „Wo ist Basti?“

gabriele fragt sich, ob er als Sternsinger unterwegs war? Da die Sternsinger heuer Masken tragend ihre Sprüchlein aufsagen durften, ganz ohne einen Ton zu singen, wäre Basti voll in seinem Element. König ist er quasi eh und bei öffentlichen Auftritten reden tut er auch recht gern – also wäre er ein perfekter Anwärter für die Rolle des Sternsingers. Auch an gabrieles Tür haben die Sternsinger geklopft. Sie wollte schon sagen „Wer klopfet an“ und musste sich dann besinnen – das ist das Weihnachtsmärchen, nicht die Erzählung der Heiligen drei Könige. Die jungen Könige an gabrieles Tür sagten ihr Sprüchlein auf und baten um eine Gabe für arme Kinder in Indien. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war gabriele klar: Basti ist eher nicht Sternsingen gegangen. Denn wenn er für die armen Kinder in Indien betteln gehen würde, dann könnten sich die Zuhörer*innen vielleicht daran erinnern, dass viel näher Menschen in recht ungemütlichen Zuständen leben. Es nicht ganz so fein haben, wie jene in den geheizten Wohnungen (sagen wir) im 12. Bezirk.

Wenn er also nicht beim Sternsingen war, war er vielleicht Skifahren. Skifahren darf man ja. In Gondeln sitzen auch. Solange er die rot-weiß-rote Maske Vorschriften-konform mit einer weißen ersetzt. Dann darf er. Ein bisschen Auszeit sei ihm gegönnt. Sonst macht er zuletzt noch Fehler. Denn Menschen, die täglich viele Entscheidungen treffen müssen, machen auch mal Fehler – hat er mal gesagt. Und wo er recht hat, da hat er recht. Basti könnte das Skifahren als Geschäftsreise verbuchen. Mit der Elisabeth. Die kann ihm zeigen, wie die Konzepte vor Ort funktionieren. Und die Reporter vom Kurier können auch mitfahren und dokumentieren, aus welchem Bezirk die Menschenmassen kommen. Obwohl, dazu müssen sie gar nicht mitkommen, sondern nur Mobilfunkdaten abrufen. Auch gut, logistisch einfacher. Logistische Probleme hat der Basti eh schon bei anderen Themen, die braucht er nicht auch noch beim Skifahren. Ist dann halt eine Fotoopportunity weniger, aber die Elisabeth wird schon ein g’scheites Handy dabei haben. Eventuell war er also beim Skifahren. Auf das Foto von Elisabeth warten wir noch.

Beim Friseur kann er nicht sein. Der hat zu. Wer bestellt ihm nun die stets perfekte Frisur? Schneidet ihm die Mama jetzt die Haare, wie gabriele ihrem Sohn? gabriele hätte inzwischen Übung und würde dem Basti ihre Dienste gerne anbieten. Als Beraterin gehört das Glätten von Wellen zu ihrem Beruf, also wird sie das mit dem Haare-Glätten auch hinbekommen. Obwohl diese 2. und vielleicht auch 3. Welle, die es laut Basti nie geben wird, die dann aber doch einfach uneingeladen gekommen sind oder noch kommen werden, die vermag grad niemand zu glätten. Niemand? Vielleicht! Aber etwas – ein kleines bisschen Flüssigkeit in einem Plastikbehälter mit einer Nadel. Oder fehlt es an den Plastikbehältern, an den Nadeln, die man im Chaos, pardon, im Salzburger Heuhaufen nicht finden konnte? Inzwischen wurden sie gefunden, die Salzburger Spritzen, also gibt es vielleicht auch Hoffnung, dass irgendwann während einer Pressekonferenz von Basti und allen Menschen, die bei diesen Auftritten rechts und links von ihm stehen, verständliche und konstruktive Informationen vermittelt werden, die nicht so schnell ablaufen, wie falsch gelagerte Impfungen. Übung hätten sie inzwischen genug. Der Basti und alle Menschen, die rechts und links von ihm stehen.

SCHLAMMassel

Der Basti war krank. Da Krankenbesuche im Moment nicht erlaubt sind, hat sich gabriele darüber den Kopf zerbrochen, wie sie helfen könnte. Ganz kurz hat sie sich gefragt, ob das ihre Sternstunde sein könnte. Während er im Bett liegt, könnte sie scheinen. Aber allem voran hat sie sich Sorgen gemacht und wünscht dem Basti, dass er schnell genesen möge. Denn kalt lassen sie Bilder kranker „Kinder“ nicht. Sie könnte fast seine Mutter sein, so vom Alter her. Da kommen schon mütterliche Gefühle auf.

Was hatte er denn, der Basti?

Kopfweh? Wegen der vielen Sorgen rund um Weihnachten? Weil auch er seine Oma sehen mag? Mit ihr unter dem Christbaum „Wer klopfet an“ singen möchte? Die Oma, die es nicht leicht hatte, damals, als sie geflüchtet ist. Dann eine gute Heimat und Herberge in Österreich gefunden hat. In Österreich, wo auch gabriele gerne wohnt, allein wegen der Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft, Mitmenschlichkeit die hier gelebt werden. In Österreich, wo man es gewohnt ist, die Ärmel hochzukrempeln und gemeinsam anzupacken. Weil man keinen im Regen stehen lässt, weil man ungefragt Menschenrechte lebt. Das Bild der Oma, die allein neben dem Baum sitzt, das macht ihn vielleicht krank?

Kopfweh? Vom vielen telefonieren? Er sollte sich ausruhen. Hat doch eine ganze Maschinerie an Männern, ups Menschen, hinter sich, Kommunikationsexperten. Jedes Wort, jeder Text, jedes Bild wird noch einmal kontrolliert und eventuell das vom Vorjahr genommen, sollte beim diesjährigen die Frisur nicht ganz sitzen. Und ein kleines Budget gibt es schließlich auch. Es sei ihm also eine gute Erholung gegönnt. Telefonieren ist bei Kopfweh wirklich nicht förderlich. Delegieren, lieber Basti, delegieren.

Kopfweh? Weil er sich nicht mehr erinnern kann, den wievielten Lockdown er nun ankündigen muss? Hoffentlich haben ihm die Männer, ups Menschen, im Hintergrund den Wecker im Handy richtig programmiert:
Montag: Ankündigung Pressekonferenz zum nächsten Lockdown
Dienstag: Pressekonferenz Lockdown
Mittwoch: Lockdown beginnt
Donnerstag: Lockdown aktiv
Freitag: Ankündigung Pressekonferenz zu Lockerungsmaßnahmen
Samstag: Pressekonferenz zu Lockerungsmaßnahmen
Sonntag: Lockerungsmaßnahmen beginnen
Montag: swallow – camera – repeat

Kopfweh? Weil er von Gewissensbissen geplagt wird? Weil ihn die Bilder nicht kalt lassen, er aber nicht ALLEN helfen kann? In anderen Ländern gäbe es auch noch Kinder, denen es nicht gut geht. Und alle kann er einfach nicht retten… Mit solchen Bildern im Kopf ist es schwierig, Ruhe zu finden. Man wird gebissen, vom Gewissen, während andere von Ratten gebissen werden und auch keine Ruhe finden.

Oder hatte er gar Fieber? Bei Fieber schwitzt man immer so fest. Dann wird das Bett ganz nass, das Pyjama auch. Es ist echt nicht fein: in nassen Kleidern, in nassem Bettzeug kann man sich nun wirklich nicht ausruhen, schlafen, genesen. Das Bettzeug öfters wechseln – warm duschen – eine warme Mahlzeit zu sich nehmen – und wieder ins frisch gemachte Bett liegen. Das empfiehlt gabriele mit mütterlichem Instinkt. Zumindest ein paar Sekunden lang hat man dann dieses wunderbare Gefühl der frischen Bettwäsche, in die man sich kuscheln kann. Vielleicht kann die Mama auch noch Essigsocken um die Knöchel wickeln – die sollen angeblich das Fieber ziehen. Wenn gabriele früher eigenartige Gedanken im Kopf hatte, dann drohte ihre Mutter auch mit Essigsocken. Die Mutter wünschte sich wohl, diesen „Fieberwahn“, diese Flausen mit Hilfe von Essig-Socken-Hexerei wegzuzaubern.

Und wenn dann der Kopf nicht mehr weh tut oder das Fieber gesenkt ist, dann empfiehlt gabriele das Bettzeug noch einmal zu wechseln, allein wegen dem oben genannten Kuschelgefühl. Sie selbst legt sich im Winter gern ein Fell ins Bett, damit ihr auch richtig warm ist. Ein Fell, wie man es den Babies in die Wiege oder in den Kinderwagen legt. Oder auch in einen Wäschekorb, wenn es grad kein Bett gibt. Damit sie etwas von der Kälte geschützt sind. Wenn sie Glück haben. Und einen Wäschekorb.

Sie macht sich Sorgen, die gabriele, um die Gesundheit von Basti, und allen anderen, die gerade in einem SCHLAMMassel stecken.

Wenn ihre Katze nur so klug wäre wie sein Kater

Schon beim Aufwachen hörte gabriele die Regentropfen auf ihrem Vordach, das direkt unter ihrem Schlafzimmerfenster liegt. Ihre Teenager lagen noch in ihren warmen Betten. Die würde sie erst gegen Mittag schlafwandelnd begrüßen können. Vielleicht würde sich eine*r von Ihnen über einen Mückenstich beklagen – denn auch zu dieser Jahreszeit gab es noch die eine oder andere Mücke im Haus. Komisch, aber wahr. Sie drehte sich also noch einmal im Bett um und zog die Wolldecke eng an sich. Gerade als sie tief ausatmen und die Sonntagsruhe genießen wollte, riss sie beim Aufschlag des nächsten Tropfens die Augen auf: „Es regnet nicht nur bei uns“, schoss es ihr durch den Kopf. „Und dort, wo es auch regnet, sind es nicht Mückenstiche, sondern Rattenbisse, die die Kinder plagen.“ Jetzt war es vorbei mit der Ruhe, jetzt war das Hirn aktiv und machte sein übliches Ping-Pong. Ganz ohne Aufwärmphase ging es sofort mitten ins Spiel. Auch die Katze, die erwartungsvoll ihre Nähe suchte, weil sie doch auch nicht in den Regen wollte, konnte sie nicht zu einem Sonntag-morgendlichen Lümmeln verführen.

Ping: „Man muss was tun! Man muss was tun!“

Pong: „Du tust eh schon. Du schreibst.“

Ping: „Das ist nicht genug.“

Pong: „Du hast eine Initiative und eine Spendenaktion gegründet.“

Ping: „Das ist NICHT genug!“

Pong: „Du hast dich vernetzt – mit Freundinnen, mit Organisationen. Das wird schon…“

Ping: „DAS IST NICHT GENUG! Die Öffentlichkeit, die Politik muss man erreichen.“

Pong: „Widme dich der Katze. Die scheint auch gerade nach deiner Aufmerksamkeit zu suchen. Vielleicht weiß die weiter…“

Ping: „Das ist es! Die Katze, nein, der Kater! Den Kater müssen wir fragen!“

Ihre Katze war graziös, eine angenehme Wegbegleiterin. Wenn es um große Entscheidungen, wichtige Auseinandersetzungen, kritisches Hinterfragen ging, war sie allerdings nicht die richtige Ansprechpartnerin. Aber regelmäßig las sie von einem Kater, einem klugen Kater, der sein Herrchen immer wieder fragte und hinterfragte. Der ihn Texte aus der Vergangenheit hervorkramen ließ, um sie noch einmal zu reflektieren. Da war doch am 16.9.20 ein Text im Falter. Ein Text von dem Mann, der dem klugen Kater ein Zuhause und immer bestes Futter gibt:

„Politiker europäischer Länder verwenden diese Ärmsten als Anschauungsmaterial ihrer Politik. Sie sprechen nicht von Menschen, sondern von Bildern, schrecklichen Bildern, die sich nicht wiederholen dürfen.“, schreibt er. Inzwischen gibt es auch keine Bilder mehr. Zumindest offiziell nicht.

Weiter ging‘s mit: „Für Europa war es (2015) großteils eine Sternstunde der Menschlichkeit. … Menschlichkeit ist kein Gebot der ökonomischen Vernunft. Unmenschlichkeit schadet nicht nur der Seele. Sie schadet ökonomisch und politisch.“ Gerade zur Weihnachtszeit wünschen wir uns mehr Sternstunden und Sterne überhaupt. Sterne, die den Politikern den Weg weisen. Den Herbergssuchenden nutzt ein Stern wie der aus Bethlehem im Moment nämlich nichts. Die sind eingesperrt. Ohne wirkliche Herberge.

Lieber Kater, rede doch mal mit deinem Herbergsgeber. Stell ihm ein paar Fragen, deren Antworten er vielleicht aufschreiben mag. Öffentlich. Und vielleicht könnte gabrieles Katze dann, wenn man wieder darf, mal zum Kater auf Weiterbildung kommen…. wäre manchmal hilfreich, so eine kluge Katze!

Platzhalter

Hier stand einmal ein Text, 563 Wörter, 3646 Zeichen. Bis gabriele klar wurde, dass sie am Tag der Menschenrechte nicht die richtigen Worte finden kann für die Stille, die ab jetzt aus den Lagern von Lesbos hallt. Keine Bilder mehr von Herbergsuchenden, keine Berichte von Helfern, keine Erinnerungen an fehlende Menschenwürde. Per Gesetz untersagt. Nur noch Stille. Daher ist bei gabriele nur Platz für ein leeres Blatt Papier und davon auch nur ein virtuelles. Ein Platzhalter als Symbol für den Platz, den wir hier in Österreich, in Europa haben.

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.
Art 1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

a cup of tea

gabriele fragt sich, wie sie dem Basti und seiner Regierung weiterhin beratend zur Seiten stehen kann, welche ihrer Kompetenzen sie als nächstes einbringen könnte. Sie hat immerhin mal Wirtschaft studiert. Bis ganz zum Schluss, inklusive Diplomzeugnis. Das mit dem Studium ist schon ein Zeiterl her und daher muss sie ganz fest nachdenken, was sie in den verschiedenen Pro-Seminaren und Seminaren gelernt hat. Ein Pro-Seminar Jus, das hat sie mit dem Basti gemeinsam, also nur ein wenig hineingeschnuppert in die Materie. Eines ihrer Spezialgebiete war der Tourismus. Da gibt es wohl grad ein paar Knoten im System, vielleicht kann sie da helfen.

Da unsere Tourismusministerin etwas versteift aufs Gondel-Fahren ist und auch die Impfung in Österreich noch nicht so schnell umgesetzt wird, wie in anderen Ländern (wir lieben ja Vergleiche!), könnte sich gabriele mit dem Britischen Tourismus Minister Huddleston zusammentun. Gemeinsam mit ihm könnte sie ein Konzept entwickeln. Für bessere und billigere Zähne fahren viele nach Ungarn, warum dann nicht zu den Briten, um sich impfen zu lassen. Indirekt würde dabei, wenn man mit dem Fernreisebus fährt, auch die österreichische Tourismusindustrie unterstützt werden. Die Masken für die Reise würde man „made in Austria“ kaufen, vielleicht gibt es die ja im Kaufhaus. Die Ü65 müssen sich ja nicht mal drum kümmern, um die Masken, denen strickt der Basti selbst eine. Alternativ besorgt er sie bestimmt auch im einzigen Kaufhaus, in dem nun alle alles kaufen. Dann würde man nach England fahren und sich dort impfen lassen und eine cup of tea trinken, weil dann sowieso alles besser wird, bevor man zurück ins Heilige Land reist. Immu-tourism. Das wäre doch was.

Im Auslandsjahr in Frankreich hat gabriele gelernt, dass die Franzosen Tabellen lieben. Dass sie immer Tabellenerster sein möchten, die Besten. Jede Klausur wurde mit Namen und erreichter Note ausgehängt und die Studierenden warteten wie die Geier darauf zu sehen, an welcher Stelle ihr Name in der Tabelle erscheint. Auch unser Basti liebt Tabellen. Hat er etwa neben Cambridge auch an der Sorbonne studiert? Denn auch er will Tabellenerster sein. Nicht unbedingt bei den Todesfällen, aber auch da stellt er fest, dass Österreich in der oberen Hälfte auf Platz 11 liegt. Deutschland sei nur drei Plätze weiter vorn, an 8. Stelle. Der Vergleich mit Deutschland ist einer der allerwichtigsten. Ist es wegen der Nähe des Landes oder ist es, weil sich unser Basti nicht gern von einer Frau überholen lässt? „Professor“ Wolf, der berufsbegleitend auch das ein oder andere Studium abgeschlossen hat, hat Basti den Unterschied zwischen dem 11. und dem 8. Platz erklärt. Auch den Unterschied zwischen tatsächlicher Anzahl der Verstorbenen und dieser Anzahl umgelegt auf die Bevölkerungszahl. Und trotzdem ist er ihm wichtig, dieser 11. Platz. Eine Schnapszahl. Vielleicht muss er nach dem Interview mit Herrn Wolf tatsächlich einen Schnaps trinken. Oder zwei. Rein zu Desinfektionszwecken versteht sich!

„Aber Herr Wolf, wir sind in einem Lockdown!“ Angenommen Herr Wolf liest Zeitung und basierend auf der Tatsache, dass er fürs Fernsehen arbeitet könnte man doch annehmen, dass er das mitbekommen hat. Die Pandemie. Bei diesem Satz und während des gesamten Gesprächs verspürt gabriele, dass es ihr etwas an Anstand fehlt. Dies hat sie nicht im Studium sondern zu Hause gelernt. Auf herausfordernde, eigene Entscheidungen betreffende Kritik gelassen zu antworten ist nicht eine Form von Anstand, das will gelernt sein. Dazu schickt man den Basti in Rhetoriktraining, dafür bezahlt er ein Team an U50ern, die seine Kommunikation für ihn managen. Aber eben nicht im live Interview. Dass das Gespräch mit dem Wolf aller österreichischen Wölfe kein Honigschlecken werden würde sollte dem Kanzler inzwischen klar sein. Hier wäre die cup of tea eine gute Strategie gewesen. Keep calm and drink tea, um stringent zu bleiben.

Andererorts in Österreich spielen sie Kaufladen. Fast wie gabrieles Kinder vor vielen Jahren, als sie zu Weihnachten einen solchen Laden geschenkt bekommen haben. Irgendwie war auch der Kaufladen ihrer Kinder ein virtueller, denn der Kaffee war nie tatsächlich in der Tasse vorzufinden, sondern rein imaginär. Um ihn zu „trinken“ brauchte man Vorstellungskraft. Das hielt natürlich die Kosten in Schach (ein wichtiges Prinzip der Wirtschaft, um noch einmal mit dem Studium zu trumpfen). Die Kekse waren oft echt und wenn sie ausgingen wandte man sich an die Person, der man eigentlich zeigen wollte, dass man unabhängig ist, dass man (vieles schon) ohne sie kann, dass man quasi ein Konkurrenzunternehmen aufbaut. Und schon haben wir den Wirtschaftskreislauf geschlossen, denn der Immu-tourism könnte neben den Masken, „made in Austria“, als experience im Kaufhaus verkauft werden. Der Tee zur Beruhigung grad auch. Der Schnaps sowieso. Win-win! Und schon sieht die Investition in dieses Projekt mit den vielen Nullern nicht mehr ganz so riesig aus. Vielleicht. Wenn man dann ein Produkt nicht selbst anbietet, dann verlinkt man, wie das Kind zur Küche der Mutter, den Laden einfach mit einem Anbieter, der so ziemlich alles hat.

Locker und lässig geht Österreich nun auf Weihnachten zu, locker und lässig in die Gondeln. In der Zwischenzeit ruft gabriele mal Huddelson an um zu schauen, was er von ihrer Idee hält. In einigen der Tabellen liegen die Briten immerhin vor Österreich, auch wenn der Basti dann verträumt dazu fügen wird, dass ER die Möglichkeit hatte, die erste Welle besser abzuwehren als viele andere Länder, unter ihnen auch Deutschland. Dass sein Land nun aber von der zweiten Welle härter getroffen wird, als andere Länder in der EU. Und obwohl gabriele nicht Germanistik studiert hat und nicht alle Regeln kennt weiß sie doch, dass der Kanzler hier vom aktiven Tun und der Rolle des Helden in die passive Opferrolle gerutscht ist. A cup of tea? Oder doch lieber Schnaps….

Bücher sind die neuen Waffen

Die Waffengeschäfte beschäftigen die Nation. Weil sie als systemrelevant gelten und offen haben dürfen. Buchhandlungen hingegen nicht. Nicht systemrelevant, daher nicht offen. Während man ins Waffengeschäft gehen, die Waffen-Bestseller so lange man möchte begutachten und auch vor Ort kaufen darf, mit Maske versteht sich (dann fällt man auch weniger auf), darf man im Buchhandel nicht einmal das Buch „Mord am Bodensee“ oder das Hörspiel „Die drei ???: Kelch des Schicksals“ kontaktlos abholen.

Auch für gabriele ist das alles nicht ganz stimmig. Sie fragt sich, ob der Buchhandel eventuell dem falschen Wirtschaftszweig zugeteilt wurde. Gehört er nicht auch zum Waffenhandel? Es sprechen viele Argumente dafür:

gabriele liebt Papier und Bücher. Zum Schreiben, zum Lesen, zum Basteln. Für ihren Job sind die relevant, aber in ihrem Privatleben, für ihre psychische Gesundheit. Nicht ganz ungefährlich jedoch, der Umgang mit Papier und Buch, das hat sie schon an der eigenen Haut erlebt. So hat sich gabriele wiederholt Schnitte zugezogen, die mit Messerschnitten vergleichbar sind. Eindeutig eine Waffe, dieses Papier.

Erst kürzlich gab es eine „Wanzen-Epidemie“ in ihrer Gegend. Überall waren sie, diese Käfer, die „liebevoll“ auch Stinkkäfer genannt werden. Im Allgemeinen ist gabriele von friedlicher Natur und rettet, was zu retten ist. Spinnen, groß und klein, Käfer jeglicher Art – auch die Maus aus dem Maul der Katze wird gerettet, so dies noch möglich ist. Aber eines Tages hatte sie einfach genug von dieser geometrisch sehr ansprechenden Lebensform, nahm kurzerhand das Buch in ihrer Hand und donnerte es auf den Käfer. Tot mit einem Schlag. Das folierte Buch stellte sich als beste Anti-Wanzen-Waffe heraus.

Gerade in Zeiten wie diesen, wenn die ganze Familie zu Hause ist, sind Bücher beliebte Waffen. Home-Schoolende Teenager verstecken sich bis zur Mittagszeit in ihren Zimmern. Dann hört man dann ein Murren: „Was gibt´s zu futtern?“, gefolgt von einem Raunzen, wenn der falsche Menüvorschlag kundgetan wird. Mit anhaltendem Lockdown entwickelt sich bei der als für den Mittagstisch-Verantwortliche-Auserkorenen aus einem wohlwollenden und schweigenden Grinsen doch das nörgelndes Gefühl, dass man hier nicht als Köchin angestellt wurde, dass das hier kein Wunschkonzert ist. Nach ein paar Tagen raunzt man zurück, dann formulieren sich langsam „Morddrohungen“ im Kopf bis schließlich das Buch zur Waffe und Richtung Jugendzimmer geschleudert wird. Das arme Buch kann nichts dafür. Die Tür auch nicht. Die Jugendlichen würde man nie treffen wollen. Ein Buch zu lesen würde man ihnen aber gern ans Herz legen. Ein Kochbuch vielleicht.

Dann gibt es noch den eher emotionalen und philosophischen Ansatz, der erklären kann, warum Bücher Waffen sind: Das Buch, dessen Einband so ansprechend war, den Autor mochte man, der Titel schrie: „nimm mich mit! lies mich!“. Und dann, dann treffen die Worte mitten ins Herz. Wie ein Messerstich. Genau. Waffe. Herzstich. Meist unmittelbarer Tod. (Oder zumindest mit Wasser gefüllte Augen.)

Das Allergefährlichste an einem Buch: es kann die Phantasie bereichern, die Intelligenz steigern. Vielleicht ist es gerade dieser Punkt, vor dem manche Angst haben. Wenn der Buchhandel offen hätte, würden vielleicht zu viele Menschen, jetzt wo sie mehr Zeit haben, auch mehr lesen. Dann würden sie eventuell mehr mitdenken, lernen selbst zu denken, Dinge zu verstehen, dannwürden lange Erklärungen nicht mehr zu den systemrelevanten Dingen gehören. Im Einsatz als Intelligenzverstärker ist das Buch vielleicht die gefährlichste aller Waffen.

Vielleicht sollte man mal bei der Wirtschaftskammer nachfragen, ob der Buchhandel nicht doch auch ein Waffengeschäft ist…

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Sie waren wieder in allen Medien, die Männer in Anzügen, die die Reflexion ihrer immer perfekten Frisur in der Linse der Kamera viel zu gern sehen, die sich gern mit anderen Ländern vergleichen und in den Statistiken ganz vorne sein wollen, die lieber an Wintertourismus und Weihnachtskonsum als an Menschlichkeit und an die Kinder hier im Lande und anderswo denken, die von Solidarität reden, die sie an der Spitze selbst nicht leben, und die Männer, die den Frisurenmännern alles nachplappern, indem sie sieben Mal so viele Wörter verwenden, und die Männer, die so vieles versprechen obwohl sie wissen, dass sie es nicht halten können, und die Männer, die sagen, dass sie alles besser machen würden, weil sie doch einer anderen Partei angehören, die grad nicht an der Macht ist und daher nur an Fehlern im Tun der an der Macht stehenden Männer in Anzügen mit schönen Frisuren interessiert sind und auch nicht an Menschen, und die ein bis zwei Frauen, die da mitspielen – sie waren wieder in allen Medien. Heute. Gestern. Und morgen werden sie es auch sein. Vielleicht machen sie es vor allem aus Solidarität zu ihren Eltern oder Großeltern, die vielleicht die ganzen Medienberichte ausschneiden, um ein Erinnerungsalbum zu machen, weil sie vielleicht stolz sind aufs Kind oder aufs Enkerl. Die Kinder und Enkerl wissen, dass die Eltern und Großeltern dann zu Hause bleiben und schneiden und kleben und nicht hinausgehen. Aus Solidarität. Vielleicht machen es die Männer in Anzügen also doch für andere. Vielleicht aber auch nur zur Selbstdarstellung.

Nun haben diese Männer erreicht, was sie erreichen wollten. An erster Stelle zu stehen. Und das weltweit. Nun ist Österreich das Land mit der – bezogen auf die Einwohnerzahl – höchsten Neuinfektionsrate weltweit. Die Briten sagen in so einem Fall nicht, dass die Kacke am Dampfen ist – das wäre ja mit Masken noch auszuhalten. Das erleben wir in ländlichen Regionen Österreichs zu dieser Jahreszeit regelmäßig. Stinkt a bissl aber auszuhalten. Nein, die Briten würden sagen: the shit hit the fan. Und wie das aussieht, wenn die Kacke in einen Ventilator gerät, das kann man sich ausmalen, oder einfach die Statistiken lesen.

Wenn der „ich schau gern in die Linse“ Kanzler das Phänomen des exponentiellen Wachstums, das er so gern erklärt, selbst versteht dann weiß er, dass im Moment noch kein Licht kommt. Sondern eher ein shit & fan Szenario. Aber erst mal wollte er das mit dem exponentiellen Wachstum noch ein paar Mal erklären, bis es perfekt im Kasten war. Falls er mal eine Karriere als YouTuber anstrebt, hat er dann gleich sein Video – wie dieser Mathe Lehrer, der mit seinen Lernvideos viral ging. Das wäre was für ihn – Kamera-Erfahrung hat er schließlich genug, Follower auch (noch). Und dann, wenn das erledigt ist mit dem Filmen und ein/zwei Ankündigungen von Pressekonferenzen und ein/zwei Pressekonferenzen, dann hat er reingehaun. Mit dem exponentiellen Lockdown.

Nun sind die neunen Regeln eh schon klarer, als beim ersten Lockdown, aber gabriele versteht noch nicht alle. Vielleicht könnte der Linsen-Kanzler ein Erklär-Video drehen für sie? Also – die Schulen sperren zu. Fernlehre ist angesagt. Die sieht dann so aus, dass manche Schüler*innen mit 30cm hohen Stapeln an Kopiervorlagen nach Hause geschickt werden, inklusive einer Postkarte auf der steht: „wir sehen uns, viel Spaß!“, und andere täglich unzählige Stunden vor dem Computer im Unterricht sitzen werden, so sie einen Computer haben. Und eine stabile Internetverbindung. Und das gewählte Format auch funktioniert. Und die Lehrer*innen es zu benutzen verstehen. Die Schulen bleiben aber für den Betreuungsbedarf offen. Wenn nun ALLE Eltern Betreuungsbedarf haben, dann geht der Unterricht weiter, wie gehabt? fragt sich gabriele.

Die Grundversorgung bleibt offen. Wir müssen alle essen, auch die Tiere, sonst haben wir am Ende nichts zu essen – zumindest die Fleischesser nicht. Und wenn die Kühe nichts zu essen haben, dann gibt’s auch ka Milch. Manchmal brauchen wir etwas aus der Apotheke, gerade in dieser Zeit. Auch verständlich. Und manchmal etwas zum Rauchen oder ein Lottoticket. Gehört auch zur Grundversorgung? – gabriele fragt sich, ob sie nun anfangen muss zu rauchen?

Körpernahe Dienstleistungen müssen im Lockdown zumachen, allerdings wird den Dienstleistern bis zu 80% des Vergleichsumsatzes von Vorjahr ersetzt. Gilt das für alle „körpernahen Dienstleistungen“, auch jene, die als Freizeitangebot angesehen werden? Jene, die sehr körpernah sind? Bei denen Masken manchmal nicht dem Schutz gegen Viren, sondern persönlichen Präferenzen dienen? Bekommen die auch 80% des entfallenen Umsatzes ersetzt? auch das fragt sich gabriele.

Und wie macht der Kanzler selbst das mit den körpernahen Dienstleistungen, also mit dem Friseur? Einen Monat lang keine vom Experten aufgetragene Pomade? Dass er sonst die Experten nicht zu Wort kommen lässt, das hat gabriele inzwischen gelernt. Aber diese Frisur, die bringt er fix nicht selbst zustande. Vielleicht findet er ja einen YouTuber, der ihm das online zeigen kann.

Lockdown, zumachen, Kurve kratzen. Wir sehen uns am 7.12. Eine letzte Frage hätte gabriele diesbezüglich noch: Heißt das, dass es bis dahin keine Pressekonferenzen gibt? Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Erlöse sie von aller Schuld

Plötzlich kommt man in ein Alter, in dem Beerdigungen der häufigste Grund für einen Kirchenbesuch sind, außer man schätzt den wöchentlichen pfarrerlichen Rat und geht in die Sonntagsmesse. Oder zum stillen Gebet, in die Frühmesse, den Rosenkranz, die Andacht, die Marienfeier etc. etc. Das Angebot ist reichhaltig, für jeden was dabei! Das verkündet der lokale Hirte seinen Schäfchen von einem riesigen Transparent herunter, das er prominent vor seinem Headquarter platziert hat. Gleich zwei davon, dass man es beim Vorbeifahren aus jeder  Himmelsrichtung sehen kann.

Hier sitzt sie nun, in der Kirche, weil die Mutter ihrer Tante gestorben ist. Nichts Alltägliches ist ein Kirchenbesuch für sie, nichts Allwöchentliches. Wenn es einen Anlass gibt, der sie in dieses Haus führt, dann meditiert sie, sortiert ihre Gedanken, genießt die Stille. Mitsingen und mitbeten geht, dank der vielen Stunden, die sie in ihren ersten 18 Jahren in genau diesen vier Wänden verbracht hat, im Autopilot.

Hier sitzt sie nun, in der Kirche, um gemeinsam mit der Tante und deren Familie Abschied zu nehmen, um sie auf dem Weg zu begleiten. Früher fand sie es komisch, wenn ihre Eltern regelmäßig auf Beerdigungen von Menschen „mussten“, deren Namen, Familienverhältnisse, Anzahl der Kinder, Böden und Haustiere am Vortag am Mittagstisch erklärt wurden, bis sie als Kinder vorgaben zu verstehen, von wem die Rede war. Jetzt versteht sie die Bedeutung des Begleitens, des Daseins für die Hinterlassenen, des Innehaltens und Erinnerns.

Hier sitzt sie also, in der Kirche, bei der Beerdigung von Frau K. Dem Pfarrer kann sie nur halb zuhören, seine Art und Rhetorik sind gewöhnungsbedürftig, aber für ihre persönlichen Befindlichkeiten ist hier und jetzt kein Platz. Die Verwandtschaftsverhältnisse in der Familie der Verstorbenen bekommt er in seiner Ansprache nicht ganz auf die Reihe.

Manche Trauergäste werden seine kleinen Fehler nicht mitbekommen, andere werden es ihm verzeihen – er hat ja mit so vielen Familien zu tun, kann sich doch  nicht alles merken. Sie wird durch seine Ungenauigkeit, durch seine Verallgemeinerung des Lebens dieser einzigartigen Frau, vom Meditieren abgelenkt und denkt sich: „Bei diesen persönlichen Details könntest du etwas besser aufpassen. Kannst dir doch merken, wie viele Enkel die verstorbene Frau K hatte, wie viele davon Mädchen, wie viele Jungs sind. Sonst schreib es dir halt auf!“ Noch versunken in diesen Gedanken hört sie, wie der Herr Pfarrer etwas zitiert, das man für ihn aufgeschrieben hatte, wofür er aber gar keine Notizen braucht: „befreie sie von ihrer Schuld“ Und mit diesen Worten ist sie völlig aus der Meditation gerissen, schreit den guten Hirten gedanklich fast an: „Wie bitte???? Das sind deine letzten Worte an sie? Die Frau ist tot! Welche Schuld? Warum kann die Kirche nicht einmal in diesem letzten, intimen Moment mit dieser verdammten Schuld aufhören. Plagt ihr nicht genug Lebende damit? Wir sollen anscheinend damit geboren werden, sie wird uns aber – Gott sei Dank – kurz vor dem Einbuddeln noch weggenommen. Wer nimmt sie? Die Nächstgeborenen?“

Sie denkt an die verstorbene Frau K und glaubt zu wissen, dass dies eine selbstlose, einfache Frau war, die nicht viel im Leben brauchte. Sie war für die Familie da, für ihren Mann, dem man nachsagt, dass er vielleicht in den Augen der Kirche nicht immer ganz so „unschuldig“ war. Das wiederum geht weder die (Pfarr)Gemeinde noch den Hirten auf der Kanzel was an. Nur ihn, den „Schuldigen“, und seine Frau(en). Seine Frau K. ging in die Kirche und betete und gegen Ende ihres Lebens vergaß sie recht viel. Ich nehme an, sollte sie vorher an etwas Schuld gehabt haben, dann hätte sie dies auch vergessen. Nicht absichtlich, sondern weil ihr Hirn nicht mehr anders konnte. Und dort sollte man es lassen, in den Tiefen von Frau K‘s Vergesslichkeit, und es ihr nicht als allerletzten Satz mit auf den Weg geben.

Lassen wir sie doch ruhen – in Frieden. AMEN

Gesellschaftsspiele

Für gabriele fühlt sich das, was gerade passiert, an wie ein Gesellschaftsspiel oder etwas, das man vielleicht von der Bühne kennt. Grundsätzlich mag gabriele Spiele, v.a. auch die Bühne. Gerade im Moment hat man Lust auf Kunst und Kultur, sollte diese auch fördern. Allerdings kann sie das, was gerade aufgeführt wird, noch nicht ganz einordnen. An welches Spiel oder Stück erinnert es sie nur?

Ist es eine Art Monopoly? Ein Brettspiel, bei dem man auch einmal Strafen zahlen muss, wenn man die entsprechende Karte zieht? Außer man hat eine „get out of jail“ Karte und kann sich frei kaufen. In der aktuellen Situation braucht man keine „get out of jail“ Karte, wenn man z.B. Politiker mit einem Faible für Stage Diving ist. In der aktuellen Situation kann man, als Politiker, offiziell auch die Strategie „Koste es was es wolle“ verfolgen. Damit kauft man sich keine Straßen, wie bei Monopoly, aber vielleicht glaubt man, dass man damit ganze Straßenzüge an Wählerstimmen „kaufen“ kann. Die Spielfiguren passen eigentlich auch ganz gut ins Bild. Der mit dem Zylinder macht die Ansage, das Hündchen steht an seiner Seite. Es wiederholt brav, was das Herrchen sagt. Wie es junge Hunde so an sich haben, rennt es dabei ein paar Kurven, kommt aber am Ende brav zum Herrchen zurück. Mag ja nicht alleine gelassen werden. Das Bügeleisen – naja, Wogen glatt bügeln. Noch ist nicht ganz klar, wer bügelt. Der Zylinder mal nicht. Die Herren sind wohl eher traditionell und warten auf eine Frau, um diese Rolle zu übernehmen. Einer hat die Schubkarre und räumt am Schluss den Dreck weg. Oder den Fingerhut, die dicke Haut, an der alles abprallt. Das Boot mit den Menschen drinnen, das passt grad nicht ins Bild, weil doch alle eine Spielfigur haben. In der nächsten Runde überlegen sie es sich. Vielleicht.

Oder spielt es sich auf der Bühne ab? Erst unlängst hat gabriele das Stück  „Endspiel“ von Samuel Beckett gesehen, in dem der erste Satz: „Ende, es ist zu Ende, es geht zu Ende, es geht vielleicht zu Ende.“ lautet. Das ist doch in etwa die Zusammenfassung von all dem, was der Kanzler in den letzten Monaten gesagt hat. Wenn es nicht Beckett ist, dann vielleicht ein Kasperltheater? Laut Wiki wird in (Ost-) Österreich und Süddeutschland „Kasperltheater“ abschätzig als unseriöses, peinliches, unprofessionelles, inkompetentes Verhalten im Kollektiv bezeichnet. Na, wenn es auf Wiki steht…

Es könnte ja auch eine Freilichtbühne sein, wäre eh ganz angebracht, da dürfen mehr zuschauen kommen. Wenn jetzt nicht gerade Allerheiligen sondern Ostern anstehen würde, dann könnten es die Passionsspiele sein. Denn einen Darsteller, der gerne Messias spielt, hätten wir schon!? Oder ist es eher der Fasching, mit dem Prinzen und seinen Lakaien?

Ist es Spiel des Lebens? Oder des Sterbens, wie es der Kanzler bereits Ende März angekündigt hat? Bei diesem Spiel geht es unter anderem darum, im Laufe des Lebens (also bis zum Ende des Spiels) möglichst viel Kapital angehäuft zu haben (check – berechtigter Weise gutes Einkommen), Status- Symbole zu sammeln, wie z. B. ein Auto zu besitzen (Geilomobil, check), zum Bundeskanzler gewählt worden zu sein (check) oder einen Bestseller verfasst zu haben (ok, Bücher hat er nicht selbst geschrieben, aber Bücher über den Basti gibt es schon viele). Es ist länger her, seit gabriele dieses Spiel gespielt hat. In ihrer Erinnerung geht es beim Spiel weniger um die Gesellschaft, mehr um einen selbst, seine Karriere, sein Vermögen. Interessant.

Das Gefühl, nahe, aber noch nicht ganz bei der Lösung angelangt zu sein, ließ gabriele nicht los. Und dann, beim Lesen der Tageszeitung, stand die Lösung nicht schwarz auf weiß, sondern schwarz auf lachs vor ihren Augen. Das Corona-Quartett! Basti, Werner, Karl und Rudi stehen für die vier Teams. Die Kategorien, anhand derer verglichen und getauscht wird, basieren auf deren Kommunikation und lauten:

  • Eigenlob (Darstellung als Retter in der Not)
  • Vergleiche mit anderen Nationen oder Abdriften ins Nationalistische
  • Sonstige Angstmache oder Drohung mit Worst-Case-Szenarien
  • Irreführende Statements zu verordneten Maßnahmen
  • Rhetorische Stilmittel wie Metaphern, Floskeln, Klischees etc*

Wer sich selbst besser loben kann, der gewinnt, wer mehr Angst machen kann, auch. Als kleine Änderung im Vergleich zum Originalspiel könnte man noch den schwarzen Peter einführen. Die Karte, die niemand will.

Weihnachten steht vor der Tür, die Menschen werden recht viel daheim sein. Da wird das neue Gesellschaftsspiel, das man auch zu zweit spielen kann, ganz bestimmt der Renner!

Eine Frage hat gabriele aber noch: Werden sich die Spielregeln auch ständig ändern, wie dies in der Realität der Fall ist? Dann wird das Spiel eher kompliziert. Da gabriele von Grund auf eine positive Einstellung hat, glaubt sie ganz fest: die nächste Pressekonferenz mit neuen Spielregeln kommt bestimmt!

Danke an das Team vom Standard für die Quartett Kategorien.

Ask Turkey!

Zum Glück ist jet-setten heutzutage in der digitalen Welt leicht, sogar ganz ohne das Sofa zu verlassen. So kann gabriele locker in der einen Woche Mr (noch) President of America, in der nächsten den GF des Medienmonopols ihrer Region (aber nicht ihres Vertrauens) beraten. Und das tut sie auch, mit Leidenschaft.

Lieber Gerold,

darf ich dich eh duzen, unter Vorarlberger*innen ist das doch üblich. Gleich vorweg möchte ich dir sagen: Lass dich von meinem Nachnamen nicht beirren – hab keinen Migrationshintergrund, hab nur mal einen Ausländer geheiratet. Alles gut. Die Kinder haben jetzt halt Migrationshintergrund und das beschäftigt mich schon ein wenig. Vor allem,  wenn ich die Schlagzeilen in euren Medien lese. Ganz spezifisch rede ich von einer aktuellen Schlagzeile in einem online Dienst, für den du dich wohl verantwortlich zeichnest.  18,2 Millionen Besucher*innen pro Jahr soll dieser online Dienst haben – so steht es auf der firmeneigenen Seite. Das sind fast 50 000 pro Tag. 7 von 10 Vorarlberger*innen verwenden ihn als Informationsquelle, sagt ihr. Der Gsiberger*innen zitieren gerne, was sie auf eurer Plattform gelesen haben, suchen nicht immer anderswo nach einer zweiten (fundierteren) Meinung. Das kann (sehr) gefährlich sein!

Korrigiere mich bitte, wenn ich das falsch verstehe, bin keine Germanistin, auch keine Journalistin: In fiktiven Texten kann man erzählen was man will. Vielleicht hat man einmal etwas hinter vorgehaltener Hand gehört, schnappt etwas auf, das offiziell aber niemand bestätigen will, oder leitet etwas von Annahmen ab. Wie z.B. dass etwa ein Kevin aus dem englischsprachigen Raum kommen muss und somit Mirgationshintergrund hat. Oder hat er das? Ali ganz bestimmt, denn das ist ein männlicher Vorname arabischer Herkunft, der bei allen islamischen Richtungen beliebt ist. Der hat fix Migrationshintergrund. Solche Dinge stehen also in fiktiven Texten und der Konjunktiv wird als beliebtes Stilmittel eingesetzt? In Nachrichten und sachlichen Texten auf der anderen Seite stehen Fakten und Zahlen, die recherchiert wurden und belegt werden können. Geschrieben wird im Indikativ, der für die Darstellung der Wirklichkeit vorgesehen ist. Stimmt das so?

Nun tu ich mir etwas schwer mit einem neulich bei euch veröffentlichten Text – wo kann ich den einordnen, wie verstehen? Die Schlagzeile lautete: “Neuinfektionen: Laut Land oft Migrationshintergrund” In Amerika sagt der Mann mit Wind im Haar: „Ask China!“ Könnte die nächste Überschrift „Ask Turkey“ lauten? Würde auch Aufmerksamkeit erregen, wäre bestens als Clickbait verwendbar. Oder war das der letzte Artikel auch? Clickbait?

Eine solche Schlagzeile und der dazugehörige Text wirft nicht nur die Frage nach der Textsorte  (fiktiv oder Tatsachenbericht) auf, sondern noch viele weiterführende Fragen: Würden meine Kinder, sollten sie sich infizieren, auch zu diesen „mitunter über 70“% gezählt? Und unser Herr Kurz, der Basti, wenn seine Oma doch aus Serbien kommt? Oder ist das anders, weil er Sebastian und Kurz heißt? Gleich doppelt sauber? Aber viel wichtiger: Was beabsichtigt dieser Text? Was will der Verfasser erreichen? Was hat Migrationshintergrund mit der Bekämpfung einer Pandemie zu tun? Kann man Menschen und Statistiken auf Namen und den Stammbaum des Namens reduzieren? Habe ich den Inhalt des Textes übersehen?

Zu guter Letzt wollte ich dich noch auf einen Fehler aufmerksam machen: Am Ende des Artikels steht: „Aufgrund der zahlreichen beleidigenden, hetzerischen und unsachlichen Kommentare innerhalb einer Stunde sieht sich die Redaktion veranlasst die Kommentarfunktion für diesen Artikel zu deaktivieren.“ War wohl ein Versehen, das eure IT Abteilung schnell beheben könnte: der beleidigende, hetzerische und unsachliche Artikel steht nämlich immer noch im Netz.

Normalerweise berate ich mein Gegenüber und eine Rückmeldung ist nicht nötig. gabriele macht die Ansagen, die Herren haben zuzuhören. In diesem Falle habe ich aber doch einige Fragen. Falls du grad Zeit hast….

gabriele

P.S.: Manche Journalist*innen, deren Texte ihr auf eurer Plattform veröffentlichen, sollten etwas mehr auf Rechtschreibung, Grammatik und korrektes Schreiben der Namen abgebildeter oder erwähnter Personen achten. Denn jene Partei, die in Wien „gute Deutschkenntnisse oder keine Gemeindewohnung“ verlangt, ist auch in Vorarlberg am Werkeln….

P.P.S.: die Texte von gabriele werden nicht lektoriert und Rechtschreibfehler sind durchaus menschlich. gabriele wird (noch) nicht von 50 000 Menschen pro Tag gelesen und ist (noch) keine Influencerin!