In ihrem Elternhaus gab es keine Illustrierte, nur das Kirchenblatt, das sie ehrenamtlich verteilte, weil ihre Mutter sie ganz freiwillig dazu angemeldet hatte. Jeden Samstag steckte sie die 12 Heftchen mit den News aus den lokalen Pfarrgemeinden in Briefkästen der Abonnent*innen. Da konnte auf dem Kaffeetisch kein Bravo neben solch heiliger Lektüre liegen. Veranstaltungskalender der Kirche neben den neuesten Konzertterminen? Das Wort zum Sonntag neben Dr. Sommers? Das Bild vom Bischof neben aktuellen Popidolen? Auch im Schlafzimmer war das Bravo so wenig erlaubt, wie pubertierende Teenager der männlichen Variation. Schundheft und Jungs gleichzeitig schon gar. Den Ärzteroman in der Nachtischschublade des Elternschlafzimmers, Frauenseite, erwähnte nie jemand. In dem Zimmer gab es immerhin ein Schlüsselchen mit Weihwasser, gleich neben dem Lichtschalter – das war wohl der Ausgleich.
Das Poster als Beilage in die Mitte des aktuellen Bravo der Freundin geheftet schlich sich dann doch ins Haus. Gern gab es die Freundin nicht her, aber sie wusste, wie viel es ihr bedeutete. Herzklopfend radelte sie von der Nachbargemeinde nach Hause, seine langen, schwarzen, welligen Haare sah sie in ihrem geistigen Auge im Fahrtwind wehen. Wenn jemand verstand, wie eine Fönfrisur geht, dann seine Friseuse. Wenn jemand wusste, wie man eine Fönfrisur trägt, dann er. Sein Lächeln war für immer auf diesem Poster festgehalten.
Das Lächeln von Thomas Anders. In ihrem Zimmer. Nur sie zwei. Zumindest auf billigem Papier gedruckt. Dass das gleiche Poster noch in tausenden anderen Jugendzimmern die Herzen junger Mädchen höherschlagen ließ, zählte in dem Moment nicht. Denn sein Lächeln galt nur ihr. Ihr ganz allein. Dieter, der neben ihm stand, konnte ihm das Wasser nicht reichen. Für sie war er unsichtbar. Quasi weg retuschiert. Die Liebe dauerte bestimmt Wochen, mehr als drei zumindest.
Jahre nachdem sie die Karriere der Kirchenblattverteilerin hinter sich gebracht hatte, flatterte das Angebot der Wiederaufnahme eben dieser Karriere noch einmal ins Haus. Nach reiflicher Überlegung lehnte sie höflichst ab. Jahre nachdem sie das Poster von Thomas (OK, und Dieter) von der Wand genommen und ihr Geschmack in Musik und Männern sich erweitert hatte, taucht sie auf. In ihrer Inbox. Die E-Mail von Dieter Bohlen. Was will er, nach all den Jahren? Warum Dieter und nicht Thomas? War sie damals einfach zu jung und er zu anständig? Fragen über Fragen – das Herz klopft. Er schreibt nicht nur EIN Mail, nein, gleich drei. Ungeduldig? Galt dieser sehnsüchtige Blick, der hinter dem blonden Vorhang hervorblinzelte, damals ihr? Hatte sie das übersehen, weil sie selbst nur Augen für Thomas hatte?
Nachdem ihr Herzschlag wieder im normalen Bereich liegt erinnert sie sich an die Worte von Stefan Remmler: „Alles hat ein Ende….“. Sie markiert alle drei Mails und drückt auf „in den Papierkorb bewegen“. Es ist Zeit für Neues. Neue Musik, neue Frisuren, neue Lektüre.

herrlich , ich war auch für thomas nur nora störte. Allerdings schwärmte ich für Limahl. 🙈🙈