Die Uniform, die sie sich zusammengestellt hatte, verkürzte jeden Morgen die Zeit zwischen Dusche und Schreibtisch. Die gesparte Zeit konnte in einen zweiten Kaffee investiert werden. Auch gut. Als sie eines Morgens 10 Minuten vor dem Schrank stand um zu überlegen, was sie denn zum Home-Office-Uniform-Rock anziehen sollte, musste sie über sich selbst lachen: Wer wird sie denn sehen in ihrem Büro-Outfit? Der Katze zumindest war es ziemlich egal, welches T-Shirt sie an dem Tag trug. Dem Schüler, der das Büro teilte, auch.
Als sie aber am Garten einer Nachbarin vorbeispazierte, war diese im „Sonntagskleid“. Es war tatsächlich ein Sonntag, aber ein Sonntag in einer Zeit, in der man sogar im Pyjama in die Kirche gehen konnte. Dabei ist sie gar keine Kirchengängerin, die Nachbarin. „Manchmal habe ich einfach das Bedürfnis, etwas Schönes anzuziehen. Nur für mich selbst“, war ihre Antwort. Auch die Tochter schminkt sich und glättet sich die Haare, um nachher in ihre Teenager-Residenz namens Bett zu verschwinden, um mit der Decke zu kuscheln, um Bücher zu lesen, um Netflix zu schauen. Auch ihr gibt es das Gefühl von ein bisschen Normalität. Auch sie fühlt sich anders, wenn sie sich zurecht macht.
Die Jogging-Hosen Tage sind auch nicht ihres, aber die Freiheit, das Lieblings-T-Shirt so oft wie möglich zu waschen und am nächsten Tag wieder anzuziehen, auch wenn es schon das eine oder andere Loch aufweist, fühlte sich in diesen Tagen wie Luxus an. Und wenn sie ein anderes T-Shirt trug fragten die Kinder: „Wo gehst du denn hin?“ – mit dem klaren Unterton, dass es zu der Zeit gar keine Destinationen gab.
Manche gehen zögerlich zurück in ihre „richtigen“ Büros. Noch müssen (oder wollen?) sie ihre T-Shirt-Kollektion nicht sortieren müssen, die Uniform nicht ablegen.
Der Katze ist es immer noch egal.