gabriele fragt sich, wie sie dem Basti und seiner Regierung weiterhin beratend zur Seiten stehen kann, welche ihrer Kompetenzen sie als nächstes einbringen könnte. Sie hat immerhin mal Wirtschaft studiert. Bis ganz zum Schluss, inklusive Diplomzeugnis. Das mit dem Studium ist schon ein Zeiterl her und daher muss sie ganz fest nachdenken, was sie in den verschiedenen Pro-Seminaren und Seminaren gelernt hat. Ein Pro-Seminar Jus, das hat sie mit dem Basti gemeinsam, also nur ein wenig hineingeschnuppert in die Materie. Eines ihrer Spezialgebiete war der Tourismus. Da gibt es wohl grad ein paar Knoten im System, vielleicht kann sie da helfen.
Da unsere Tourismusministerin etwas versteift aufs Gondel-Fahren ist und auch die Impfung in Österreich noch nicht so schnell umgesetzt wird, wie in anderen Ländern (wir lieben ja Vergleiche!), könnte sich gabriele mit dem Britischen Tourismus Minister Huddleston zusammentun. Gemeinsam mit ihm könnte sie ein Konzept entwickeln. Für bessere und billigere Zähne fahren viele nach Ungarn, warum dann nicht zu den Briten, um sich impfen zu lassen. Indirekt würde dabei, wenn man mit dem Fernreisebus fährt, auch die österreichische Tourismusindustrie unterstützt werden. Die Masken für die Reise würde man „made in Austria“ kaufen, vielleicht gibt es die ja im Kaufhaus. Die Ü65 müssen sich ja nicht mal drum kümmern, um die Masken, denen strickt der Basti selbst eine. Alternativ besorgt er sie bestimmt auch im einzigen Kaufhaus, in dem nun alle alles kaufen. Dann würde man nach England fahren und sich dort impfen lassen und eine cup of tea trinken, weil dann sowieso alles besser wird, bevor man zurück ins Heilige Land reist. Immu-tourism. Das wäre doch was.
Im Auslandsjahr in Frankreich hat gabriele gelernt, dass die Franzosen Tabellen lieben. Dass sie immer Tabellenerster sein möchten, die Besten. Jede Klausur wurde mit Namen und erreichter Note ausgehängt und die Studierenden warteten wie die Geier darauf zu sehen, an welcher Stelle ihr Name in der Tabelle erscheint. Auch unser Basti liebt Tabellen. Hat er etwa neben Cambridge auch an der Sorbonne studiert? Denn auch er will Tabellenerster sein. Nicht unbedingt bei den Todesfällen, aber auch da stellt er fest, dass Österreich in der oberen Hälfte auf Platz 11 liegt. Deutschland sei nur drei Plätze weiter vorn, an 8. Stelle. Der Vergleich mit Deutschland ist einer der allerwichtigsten. Ist es wegen der Nähe des Landes oder ist es, weil sich unser Basti nicht gern von einer Frau überholen lässt? „Professor“ Wolf, der berufsbegleitend auch das ein oder andere Studium abgeschlossen hat, hat Basti den Unterschied zwischen dem 11. und dem 8. Platz erklärt. Auch den Unterschied zwischen tatsächlicher Anzahl der Verstorbenen und dieser Anzahl umgelegt auf die Bevölkerungszahl. Und trotzdem ist er ihm wichtig, dieser 11. Platz. Eine Schnapszahl. Vielleicht muss er nach dem Interview mit Herrn Wolf tatsächlich einen Schnaps trinken. Oder zwei. Rein zu Desinfektionszwecken versteht sich!
„Aber Herr Wolf, wir sind in einem Lockdown!“ Angenommen Herr Wolf liest Zeitung und basierend auf der Tatsache, dass er fürs Fernsehen arbeitet könnte man doch annehmen, dass er das mitbekommen hat. Die Pandemie. Bei diesem Satz und während des gesamten Gesprächs verspürt gabriele, dass es ihr etwas an Anstand fehlt. Dies hat sie nicht im Studium sondern zu Hause gelernt. Auf herausfordernde, eigene Entscheidungen betreffende Kritik gelassen zu antworten ist nicht eine Form von Anstand, das will gelernt sein. Dazu schickt man den Basti in Rhetoriktraining, dafür bezahlt er ein Team an U50ern, die seine Kommunikation für ihn managen. Aber eben nicht im live Interview. Dass das Gespräch mit dem Wolf aller österreichischen Wölfe kein Honigschlecken werden würde sollte dem Kanzler inzwischen klar sein. Hier wäre die cup of tea eine gute Strategie gewesen. Keep calm and drink tea, um stringent zu bleiben.
Andererorts in Österreich spielen sie Kaufladen. Fast wie gabrieles Kinder vor vielen Jahren, als sie zu Weihnachten einen solchen Laden geschenkt bekommen haben. Irgendwie war auch der Kaufladen ihrer Kinder ein virtueller, denn der Kaffee war nie tatsächlich in der Tasse vorzufinden, sondern rein imaginär. Um ihn zu „trinken“ brauchte man Vorstellungskraft. Das hielt natürlich die Kosten in Schach (ein wichtiges Prinzip der Wirtschaft, um noch einmal mit dem Studium zu trumpfen). Die Kekse waren oft echt und wenn sie ausgingen wandte man sich an die Person, der man eigentlich zeigen wollte, dass man unabhängig ist, dass man (vieles schon) ohne sie kann, dass man quasi ein Konkurrenzunternehmen aufbaut. Und schon haben wir den Wirtschaftskreislauf geschlossen, denn der Immu-tourism könnte neben den Masken, „made in Austria“, als experience im Kaufhaus verkauft werden. Der Tee zur Beruhigung grad auch. Der Schnaps sowieso. Win-win! Und schon sieht die Investition in dieses Projekt mit den vielen Nullern nicht mehr ganz so riesig aus. Vielleicht. Wenn man dann ein Produkt nicht selbst anbietet, dann verlinkt man, wie das Kind zur Küche der Mutter, den Laden einfach mit einem Anbieter, der so ziemlich alles hat.
Locker und lässig geht Österreich nun auf Weihnachten zu, locker und lässig in die Gondeln. In der Zwischenzeit ruft gabriele mal Huddelson an um zu schauen, was er von ihrer Idee hält. In einigen der Tabellen liegen die Briten immerhin vor Österreich, auch wenn der Basti dann verträumt dazu fügen wird, dass ER die Möglichkeit hatte, die erste Welle besser abzuwehren als viele andere Länder, unter ihnen auch Deutschland. Dass sein Land nun aber von der zweiten Welle härter getroffen wird, als andere Länder in der EU. Und obwohl gabriele nicht Germanistik studiert hat und nicht alle Regeln kennt weiß sie doch, dass der Kanzler hier vom aktiven Tun und der Rolle des Helden in die passive Opferrolle gerutscht ist. A cup of tea? Oder doch lieber Schnaps….