Wie reden wir miteinander?

Besuche, Sitzungen, persönliche Treffen jeglicher Art waren abgesagt, untersagt. Wir lebten in unseren vier Wänden, mit oder ohne Erweiterung des Wohnbereichs auf den Balkon oder in den Garten hinaus. Was macht das mit uns? Wie können wir miteinander reden? In Kontakt bleiben? Das Persönliche nicht verlieren?

Eine Verabredung mit der Nachbarin. Jede bringt ihre eigene Tasse Kaffee mit, man sitzt auf der gegenüberliegenden Seite der Straße. Eine auf der Gartenbank, die andere auf der Mauer vor dem Nachbarshaus direkt vis-a-vis. Es ist eine nicht sehr stark befahrene Straße, ein Gespräch sollte möglich sein. Die Konversation ist weder sehr persönlich, noch sehr detailliert. Das gesprochene Wort lauter als normalerweise, weil man sich sonst nicht hört, nicht alles versteht. Immer wieder fährt ein Auto vorbei und nimmt einen halben Satz mit. Es wird erneut angesetzt und „bbbbrrrrm“ kommt das nächste Motor-betriebene Fahrzeug. Schön, sich mal zu sehen, aber ist das gute Kommunikation unter Freunden?

Sitzungen, Besprechungen, Meetings… Berufliche Gespräche laufen vermehrt über Email und Telefon. Videokonferenzen sind en vogue, die Aktien einzelner Anbieter der entsprechenden Apps steigen rasant. Viele Termine können so ersetzt werden, am selben Ort anwesend zu sein ist dank Technik wirklich nicht immer nötig. Für bestimmte Dinge muss man aber in einem Sitzungssaal sitzen, in einem Besprechungszimmer besprechen, dem Gesprächspartner in die Augen schauen – ohne Bildschirm als Filter. Manchmal kann das Gespräch nur in Fahrt kommen, können sich die Diskussion nur entfalten, können Emotionen nur wahrgenommen werden, wenn man sich im gleichen Raum befindet. Wie viele Videokonferenzen vertragen wir?

Die Jugend…die ist zu Hause in der digitalen Kommunikation. Die Erwachsenen können viel von den jungen Menschen lernen. Oder könnten? Ist das ein Problem? Dass die Jugendlichen mehr wissen als sie? Vorher hat man sich beklagt, dass die Jugend zu viel am Handy ist, hat Apps installiert, damit man das kontrollieren kann. Jetzt beklagt man sich, dass die Lehrer die Kinder nicht dazu motivieren, sich mehr in der digitalen Welt zu bewegen – Videochats, online Unterricht, Lernapps. Alles ist möglich. Was ist richtig? Was ist wichtig? Wie viel davon?

In der Abwesenheit von persönlichen Treffen gewinnt das WIE der Kommunikation enorm an Bedeutung. Die Stimmlage, der Tonfall, die Gestik, die Mimik und ja, auch die Kleidung müssen anders eingesetzt werden. Anweisungen der Vorgesetzten per Email, Feedback von Lehrer*innen, Kommentare an Freund*innen. All das klingt in 3 Wörtern auf whatsapp oder in vier Sätzen in einem Email ganz anders, als wenn es dem Gegenüber persönlich gesagt, bei Bedarf im letzten Moment noch anders betont und ergänzt wird. Das Internet wird mit Memes und Kurzvideos vollgestopft – auch eine Form der Kommunikation und ein wenig Humor trägt zur allgemeinen Klimaverbesserung bei. (Auch wenn wir übers Klima gerade nicht reden…)

Der Nachbarskaffee ist inzwischen wieder „normal“ durchführbar, solange die Kaffeespenderin nicht in die Tasse des Gastes spuckt oder sie zur Begrüßung umarmt. Der Verkehr wird keine Sätze mehr schlucken. Die Kaffeetrinker*innen werden sich eventuell am Getränk verschlucken, weil sie nun wieder alles hören und das meiste verstehen.

Geschäftsreisen werden noch länger auf minimalem Niveau gehalten werden, Videokonferenzen, weiterhin in Unterhosen möglich sein. Das wünschen wir der Umwelt, unserer Umwelt. Der unteren Körperhälfte tut ein wenig frische Luft hin und wieder eh auch gut.

Und die Jugend? Kopiervorlagen (teils aus anderen Jahrhunderten) werden in der Schule und zu Hause als solides Bildungsmaterial gesehen und uns wohl erhalten bleiben. Von den Kindern könnten wir viel lernen. Das Klassenzimmer, den Unterricht, die Bildung etwas modernisieren, Altes überdenken, Neues einführen, Gutes behalten, ohne dass dadurch ein Virus der anderen Art in den Schulen und zu Hause Einzug nimmt.

Wie reden wir miteinander? Wie werden wir in Zukunft miteinander reden? Haben wir etwas vom Persönlichen verloren? Hauptsache ist, dass wir miteinander reden.

Und irgendwann umarmen wir uns wieder!

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